Test zu Cassette Beasts - Nintendo Switch - ntower - Dein Nintendo-Onlinemagazin (2024)

Neue Einträge im Genre der Monster-Collecting-RPGs stehen oft im Schatten eines gewissen Taschenmonster-Franchises, welches schon seit 1996 etliche Gamer durch ihre Kindheit – und manchmal auch noch darüber hinaus – begleitet hat. Während aber ebendieser Mediengigant sich schon seit Jahren mangelnde Innovationsbereitschaft und lieblose Fließbandproduktion von neuen Titeln vorwerfen lässt, ist es schön, zu sehen, dass immer mehr Indie-Studios sich des Genres annehmen, um der angestaubten Formel durch neue Ideen zu neuem Glanz zu verhelfen. Das britische Studio Bytten Games greift für ihre Vision des Monster Collectings tief in die Nostalgie-Schublade und packt in Cassette Beasts den Walkman und die guten alten Audiokassetten wieder aus, um die sich die Haupt-Gameplay-Mechanik dreht. (Für unsere jüngeren Leser: Kassetten waren rechteckige Plastikteile, ähnlich groß wie heutige Smartphones, in denen sich ein Magnetband befand, mit dem Musik aufgenommen und abgespielt werden konnte – der „heiße Scheiß“ vor 50 Jahren.) Nachdem der Titel bereits im März dieses Jahres für den PC via Steam veröffentlicht wurde, dürfen sich seit Ende Mai auch Besitzer der Nintendo Switch in das Abenteuer stürzen und wir haben für euch ein Mixtape mit unseren Eindrücken zum Spiel erstellt.

Eine offene Welt voller Musik und Monster

In Cassette Beasts verschlägt es euren selbsterstellten Charakter auf die Insel Neu Wirral, wo ihr ohne jegliche Erinnerungen aufwacht und verzweifelt versucht, zu begreifen, in welche merkwürdige Lage ihr hineingeraten seid und wie ihr wieder nach Hause kommen sollt. Nachdem ihr am Strand angespült wurdet, stellt sich euch plötzlich eine Krabbe mit einem Verkehrsleitkegel auf dem Rücken in den Weg. Zum Glück eilt die Rangerin Kayleigh zu eurer Hilfe herbei und übergibt euch einen Kassettenspieler mit Kopfhörern sowie eine von zwei möglichen Kassetten, was jedoch in dieser Situation so gar nicht hilfreich erscheint. Legt ihr die Kassette in den Walkman ein, verwandelt ihr euch plötzlich selbst in ein Monster und könnt – mit der nun ebenfalls verwandelten Kayleigh – schnell der Bedrohung Herr werden. Eure neue Gefährtin nimmt euch mit nach Hafenstadt, erklärt euch, dass ihr hier ohne Aussicht auf eine Rückkehr in eure Welt gefangen seid, und bittet euch, sie bei einer Patrouille um die Stadt zu begleiten. Unterwegs trefft ihr auf zahlreiche Monster, kampflustige NPCs, mächtige Erzengel-Bosse und viele weitere verrückte Dinge.

Ein „böses Team“ gibt es auch in Cassette Beasts, wenngleich mit einem Augenzwinkern: geschäftstüchtige Makler

© Bytten Studio / Raw Fury AB

Die Hauptsächliche Gameplay-Mechanik in Cassette Beasts dreht sich, wie eingangs schon erwähnt, um Audiokassetten und euren tragbaren Player. Begegnet ihr einem Monster oder werdet von einem NPC zum Kampf aufgefordert, spielt ihr eure Kassette ab und verwandelt euch dadurch selbst in eine Bestie, die über verschiedene Aktionen im Kampf verfügt. Ihr könnt Fähigkeiten verwenden, um anzugreifen oder Statusveränderungen bei euch oder euren Gegnern hervorzurufen. Außerdem könnt ihr die Kassette wechseln, um euch in ein anderes Biest zu verwandeln, Items nutzen oder aus dem Kampf fliehen. Besiegt ihr ein Monster, flieht es aus dem Kampf. Sobald alle gegnerischen Monster besiegt sind, ist der Kampf zu Ende und ihr erhaltet Gegenstände und Erfahrungspunkte – so weit, so gut. Doch natürlich werden sich eure Gegner zur Wehr setzen und euch ebenfalls angreifen. Gehen die TP eurer Bestie zu Neige, löst sich eure Verwandlung auf und sofern die Runde noch nicht vorbei ist, können die Gegner euren Charakter direkt angreifen. Fallen dessen TP ebenfalls auf 0, verliert ihr und werdet zurück in die Stadt gebracht. Dieses Feature lässt sich jedoch auch in NPC-Kämpfen zu euren Gunsten nutzen, wenn ihr eure Angriffe so plant, dass ihr den NPC direkt angreifen könnt, nachdem dessen Biest zuvor das Zeitliche gesegnet hat. Insgesamt könnt ihr maximal sechs Kassetten bei euch tragen. Sind also alle Monster besiegt und deren Kassetten beschädigt, steht ihr euren Gegnern völlig schutzlos gegenüber.

In den Kämpfen seid ihr jedoch nicht auf euch allein gestellt, sondern zu zweit, da ihr mit Kayleigh oder später einem von verschiedenen anderen Teampartnern in den Kampf zieht. Hierfür könnt ihr übrigens auch einen lokalen Mehrspielermodus aktivieren, den ich in meinem Test jedoch nicht ausprobiert habe. Noch taktischer wird es, wenn ihr die Beziehungsstufe zwischen euch und euren Mitstreitern erhöht und die Fusion nutzen könnt. Hierfür verbinden sich die beiden Biester auf eurer Seite miteinander und es entsteht eine mächtige Form, die Statuswerte und Fähigkeiten beider Kreaturen vereint. Besonders in Bosskämpfen könnt ihr so einen entscheidenden Vorteil erlangen. Leider füllt sich die für die Fusion nötige Anzeige aber gerade zu Beginn des Spiels so langsam auf, dass ihr diese tolle Fähigkeit leider kaum nutzen werdet. Dennoch ist es bemerkenswert, dass für die 120 im Spiel erhältlichen Monster für sämtliche Fusionsmöglichkeiten Sprites erstellt wurden.

Bereit zur Aufnahme: Können wir den undichten Wasserhahn unserem Team hinzufügen?

© Bytten Studio / Raw Fury AB

Neue Bestien fügt ihr eurem Team übrigens nicht etwa hinzu, indem ihr sie in einen kleinen Ball einsperrt, sondern die Aufnahme-Taste eures Kassettenspielers betätigt und ein leeres Band wählt. Dadurch verwandelt sich einer eurer beiden Charaktere in seine menschliche Form zurück und starte die Aufnahme. Ob es euch gelingt, ein gegnerisches Monster aufzunehmen (Monster in NPC-Kämpfen, fusionierte Monster sowie Bosse können nicht aufgenommen werden), hängt von folgenden Parametern ab: die Art der verwendeten Kassette (teurere Kassetten haben höhere Erfolgschancen, auch gibt es spezielle Kassetten für verschiedene Monster-Typen), wie viel Schaden ihr dem aufgenommenen Monster mit dem anderen Charakter zufügt (am besten ist es, wenn ihr dessen TP auf 0 bringen könnt) und wie viel Schaden euer aufnehmender Charakter während des Aufnehmens zugefügt bekommt. Das klingt jetzt sehr kompliziert, ist aber leicht verständlich, wenn man es einmal selbst im Spiel durchgeführt hat.

Es lohnt sich gleich mehrfach, eurem Arsenal möglichst viele neue Viecher hinzuzufügen. Einerseits habt ihr so eine größere Auswahl an passenden Monstern, mit denen ihr jede Begegnung meistern könnt, andererseits gewähren euch manche Monster auch neue Bewegungsfähigkeiten in der Spielwelt. Zu Beginn könnt ihr neben dem normalen Laufen nur einen kurzen Sprint, der eure zunächst sehr kümmerliche Ausdauerleiste sofort leert, sowie einen kleinen Sprung ausführen. Nehmt ihr beispielsweise eine Kreatur, die einer Motte ähnelt, in eure Kassettensammlung auf, könnt ihr mit Flügeln über eine gewisse Distanz gleiten. Auf ähnliche Weise erhaltet ihr später weitere Fähigkeiten wie einen Raketensprint, die Möglichkeit, im Wasser zu schwimmen oder sogar metallische Gegenstände elektromagnetisch zu manipulieren. Wie ihr die offene Welt erkundet, bleibt euch überlassen, einzig zu überwindende Hindernisse erfordern von euch, dass ihr ein bestimmtes Biest findet, um dessen Fähigkeit zu erlangen. Bezüglich des Schwierigkeitsgrads haben die Entwickler sich hier übrigens etwas einfallen lassen, um euch beim Erkunden der Welt nicht übermächtigen Gegnern zum Fraß vorzuwerfen oder mit langweiligen Begegnungen mit viel zu schwachen Gegnern zu nerven. In den Einstellungen könnt ihr neben einigen anderen Optionen auch die Intelligenz der KI sowie die Skalierung der Gegner-Level individuell an eure Vorlieben anpassen.

Mit Stickern könnt ihr die Fähigkeiten eurer Kassetten-Biester nach euren Vorlieben verändern

© Bytten Studio / Raw Fury AB

Auch bezüglich der Fähigkeiten hebt sich Cassette Beasts von anderen Genrevertretern ab. Jedes Biest kann insgesamt acht Fähigkeiten besitzen, die ihr nach Belieben austauschen könnt. Dies wird durch Sticker, die ihr an den jeweiligen Kassetten anbringt, zum Ausdruck gebracht. Natürlich ist nicht jeder Sticker mit jedem Monster kompatibel, jedoch habt ihr sehr vielseitige Möglichkeiten, eure Bestien entsprechend zu modifizieren. Darunter sind auch passive Fähigkeiten oder teilweise Angriffe von Typen, die gar nicht dem eures Monster entsprechen. Neue Sticker erhaltet ihr in Truhen, als Questbelohnung, in Shops oder von euren aufgenommenen Biestern. Ihr könnt die Sticker beliebig oft entfernen und wieder anbringen, wodurch auch manche Fähigkeiten von einem Biest zu einem anderen übertragen werden können. Im Laufe der Zeit sammelt ihr Erfahrung und eure Kassetten erhalten Sterne. Erreicht eine Kassette fünf Sterne, könnt ihr sie – sofern möglich – remastern, also in eine stärkere Form entwickeln. Manchmal stehen euch dabei sogar verschiedene Pfade zur Verfügung, in besonderen Fällen sogar geheime Remasters, wenn eine Kassette mit einem bestimmten Sticker versehen ist. Um die zahlreichen Möglichkeiten der Individualisierung auf die Spitze zu treiben, gibt es noch sogenannte Bootlegs, selten auftretende Biester, die eine andere Farbe als gewöhnlich haben, dementsprechend ein anderes Element besitzen und andere Fähigkeiten erlernen können. Und jedes Monster kann theoretisch in allen 14 verfügbaren Typen auftreten – die Anzahl der Möglichkeiten, euer Team zusammenzustellen, ist also gewaltig.

Doch was hat es mit den Typen überhaupt auf sich? Verschiedene Typen zu haben, die miteinander in Wechselwirkung stehen, ist gewiss nichts Neues, sondern schon seit eh und je Bestandteil von Monster-Collecting-RPGs. Dass Cassette Beasts hier neben Klassikern wie Feuer und Wasser auch etwas außergewöhnliche Typen wie Plastik oder Glas mit in den Mix aufnimmt, ist erfrischend. Allerdings ist das System leider nicht gut durchdacht. Damit meine ich nicht, dass sich die Entwickler zu wenig Gedanken gemacht haben, sondern, ganz im Gegenteil, viel zu viele. Die einzelnen Elemente stehen nämlich in derart vielen Wechselwirkungen zueinander, dass ihr selbst nach dutzenden Spielstunden noch immer mit neuen Tutorials zu Wirkungen, die ihr bis dahin noch nicht gesehen habt, bombardiert werdet. Das ganze System ist derart kompliziert, dass ich irgendwann aufgegeben habe, es zu verstehen, sondern einfach alle Gegner mit den bewährten Angriffen attackiert habe und mich so trotzdem durchmogeln konnte. Lediglich die zwölf Captains, die ihr im Laufe der Story finden und besiegen sollt, lassen sich oft nicht mit roher Gewalt ausschalten, sondern erfordern erstaunlich viel taktisches Geschick. Dennoch wirkt das Typen-System zu überladen, weshalb ich darauf ehrlich gesagt auch gerne hätte verzichten können.

Ist ein Gegner einmal zu mächtig für eure Kassettenmonster, könnt ihr mit eurem Teampartner fusionieren, um neue Macht zu erlangen

© Bytten Studio / Raw Fury AB

Die Story des Spiels nimmt sich selbst nicht besonders ernst, was mich persönlich nicht wirklich gestört hat, da ich trotzdem äußerst motiviert war, die Insel Neu Wirral zu erkunden, möglichst viele Biester in meine Kassettensammlung aufzunehmen und die Captains und großen Bossen aufzuspüren. Irritierend ist jedoch leider die Performance auf der Nintendo Switch. Besonders nachdem ein Ladevorgang stattgefunden hat, stottert das Spiel. Sei es beim Starten des Spiels, beim Wechseln eines Gebiets oder manchmal sogar, wenn ihr euch zu schnell über die Karte bewegt. Das hat mich zwar nicht davon abgehalten, das ansonsten grandiose Spiel zu genießen, aber es fiel immer wieder störend auf und führt einmal sogar während eines Bosskampfs zum Spielabsturz. Für gewöhnlich bin ich an dieser Stelle sehr streng und kann mich nicht dazu durchringen, einem Spiel, welches mit klaren technischen Defiziten veröffentlicht und zum Kauf angeboten wird, unseren Spiele-Hit-Award zu verleihen. Da mich Cassette Beasts aber ansonsten fast auf ganzer Linie überzeugen konnte und die Entwickler wohl angegeben haben, bereits an einem Patch zu tüfteln, möchte ich diesem Spiel unsere begehrte Auszeichnung dennoch zukommen lassen.

Zu guter Letzt noch ein paar Worte zur audiovisuellen Gestaltung. Optisch erwartet euch hier ein Pixel-Look in einer 3D-Umgebung, der an sich zwar funktioniert, aber nichts allzu besonders ist – dafür gibt es mittlerweile einfach zu viele Indie-Titel, die auf die Pixel-Optik setzen. Das Design der titelgebenden Cassette Beasts ist abwechslungsreich und wartet mit allerhand skurrilen Kreaturen auf. Ein absolutes Highlight stellt aber der Soundtrack von Cassette Beasts dar. Die einzelnen Songs sind äußerst stimmig und atmosphärisch, einige davon kommen sogar mit Gesang daher. Besonders die Tracks, die während der Kämpfe oder bei Bossbegegnungen laufen, sind echte Banger, die mir noch lange in den Ohren herumschwirren werden. Hier hat das Spiel, bei dem sich die Haupt-Gameplay-Mechanik um Musikkassetten dreht, wirklich alles richtig gemacht und mit Joel Baylis einen noch recht unbekannten, aber grandiosen Komponisten gefunden, von dem wir sicherlich noch einiges zu hören bekommen werden.

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Author: Amb. Frankie Simonis

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